Erst schwach, zwischenzeitlich mit fünf Toren in Rückstand, dann die imposante Aufholjagd, drei vorn und schließlich doch verloren: In sprichwörtlich letzter Sekunde staubt Jakub Hrustka nach einem Lattenschuss ab – der Dessau-Roßlauer HV 06 bezwingt die Eulen Ludwigshafen am vorletzten Spieltag in der 2. Handball-Bundesliga 33:32 (16:13). „Ich bin sehr, sehr geknickt, was den Endstand angeht“, sagt der konsternierte Eulen-Coach Johannes Wohlrab am Montagabend, den die frei vergebenen Chancen und die vor der Pause schmerzlich vermisste Leidenschaft mächtig wurmten: „In der ersten Halbzeit fehlten uns die Grundattribute, die Handball ausmachen: Leidenschaft, Kampf, Bereitschaft. Wir hatten dann die Chance den Sack zuzumachen …“
Dessau zur Pause mit drei vorn
Nach 30 Minuten führt Dessau 16:13. Die Eulen, phasenweise mit fünf Treffern in Rückstand, kämpften sich am Ende der ersten Halbzeit heran. Ein Faktor dafür wird Mats Grupe. Er löst Kollege Žiga Urbič nach 13 Minuten im Tor ab, hat in der 23. Minute seine erste Parade, vier weitere folgen bis zur Pause. Dessaus zweiter Schlussmann Janik Patzwaldt ist gut im Spiel, hat bis zur Halbzeitpause acht Paraden. Treffsicher wie eh und je Top-Torjäger Timo Löser (4 von 4). Der Eulen-Kader ist wohl komplett, Kapitän Max Haider aber bleibt wegen Rückenproblemen auf der Bank, Mex Raguse, im Vorfeld erkrankt, quält sich im Dienst der Mannschaft. Nach Muskelfaserriss ist Tom Bergner zurück, der wegen seines Trainingsrückstands schon vor der Partie die Erwartungen dämpfte, im Training spürte, dass ihm die gewohnte Abschlusssicherheit (noch) fehlt. So wie in der 23. Minute in Dessau.
Großer Umbruch in Dessau
Trainer Uwe Jungandreas (62), der im Sommer in seine elfte Saison in Dessau geht, hat in der Ludwigshafener Partnerstadt einen großen Umbruch zu moderieren. Die Dessauer verlieren mit dem Halblinken Timo Löser, der zum HC Elbflorenz nach Dresden wechselt, und Linksaußen Jakub Hrstka, der zum HC Zubri in seine tschechische Heimat zurückkehrt, die beiden besten Torschützen der letzten fünf Jahre. Neu besetzt werden muss die Kreisläuferposition, denn Patrick Gempp schließt sich dem TV Großwallstadt an, Daniel Schmidt beendet seine Karriere. Als Neuzugänge stehen der ehemalige Lübecker Linksaußen Fynn Gonschor, der vom HSC Kreuzlingen kommt, der Halblinke Jakub Powarzynski (Energa Wybrzeze Gdansk) und der Halbrechte Marcel Nowak vom 1. VfL Potsdam bereits fest.
Trost und Schaller treffsicher
Gegen die Eulen demonstrierten Hrustka, der das Siegtor erzielte, und Löser (8 von 11) ihren Mehrwert. Mit der Manndeckung durch Theo Straub ab Minute 22 konnten die Eulen den Wirkungskreis des Halblinken etwas eindämmen, verkürzten bis zur Pause auf 13:16. Gut im Spiel Mittelmann Sebastian Trost, mit 7 von 10 neben Tim Schaller (7/6), der nur einen Fehlversuch verbuchte, bester Torschütze der Eulen. In der 39. Minute kamen sie durch Jannek Klein nach Top-Zuspiel Raguses zum 21:21. Kaltblütig sorgte Straub (3 von 3) in der 40. Minute für die erste Führung der Eulen (22:21). Es sah gut aus, als Grupe, der am Ende elf Paraden verbuchte, in der 41. Minute einen Siebenmeter Hrustkas abwehrte und Straub in der 42. Minute für das 24:23 sorgte. Die Riesenchance die Führung auszubauen, vergab wenig später Marc-Robin Eisel, der beim Gegenstoß völlig frei scheiterte. „Der Ball muss rein“, kritisierte Trainer Johannes Wohlrab.
Drei-Tore-Führung verspielt
In der 45. Minute sah Tillmann Leu nach Foul an Jannek Klein Rot, Trost und Klein brachten die Eulen mit zwei Toren in Führung: 26:24. Wieder egalisierte der Gastgeber, aber Staub blieb cool: 26:27 – noch zehn Minuten. Raguse (27:28), Bergner (27:29), Trost (28:30) und nochmals Raguse (28:31) brachten die Eulen bis zur 55. Minute in Führung. Dann kassierte Mihailo Ilic eine diskussionswürdige Zeitstrafe, Dessau wusste die Überzahl zu nutzen: Löser verkürzte (29:31). Die Chance den alten Abstand wieder herzustellen, gab Kian Schwarzer aus der Hand, der an Janik Patzwaldt scheiterte. Dann Bülow – 30:31, dann Eisel 30:32. Löser trifft, Raguse scheitert, Mitrovic gleicht aus – 32:32. Die letzte Auszeit der Eulen. „Wir belohnen uns mit dem letzten Angriff“, schwört Wohlrab seine Mannschaft ein. Neun Sekunden vor Schluss scheitert Raguse (3 von 11) an Patzwaldt, im Gegenzug trifft Jakub Hrustka erst die Latte und im Nachschuss zum Siegtor.
Einstelligen Tabellenplatz behaupten
„Als Jannek Klein mit seinem Cut raus musste, hat es Finn Leun wieder gut gemacht“, lobte Joh Wohlrab den jungen Halbrechten (3 von 5), attestierte auch Theo Staub eine starke Leistung. „Der ein oder andere Spieler muss sich hinterfragen“, sagte der Coach auch mit Blick auf die kommende Spielzeit. „Ich erwarte die Leidenschaft, die wir in der zweiten Halbzeit gezeigt haben, gegen Coburg über 60 Minuten“, erklärte der Trainer mit Hinweis auf das letzte Saisonspiel am Samstag (18 Uhr) in der Friedrich-Ebert-Halle gegen den Tabellensechsten. Dann gilt’s für die Eulen, mit 31:35 Punkten auf Rang neun, das letzte verbliebene Saisonziel zu erreichen: einen einstelligen Tabellenplatz.
Fotos: Dessau-Rosslauer HV