In Berlin war mehr drin

09.04.2021 11:56 // hk

Die Sensation war in den ersten 30 Minuten greifbar. Die Eulen lagen zur Pause in Führung, bis zur 40. Minute waren sie dran, erstmals gegen die Füchse Berlin in der Handball-Bundesliga zu punkten. Dann aber zollten Gunnar Dietrich und Kollegen der angespannten Personallage beim Gastspiel in der Max-Schmeling-Halle Tribut. Der Top-Favorit sah den 28:21 (12:13)-Sieg nach drei Niederlagen in Serie als Schritt aus der Krise. Mit zwölf Paraden hatte Torhüter Dejan Milosavljev großen Anteil am Heimsieg gegen die Eulen, die am Kreis nach den Ausfällen von Christian Klimek und Max Haider mit kräftezehrendem Positionswechselspiel improvisieren mussten. „Das macht sich schon bemerkbar, wenn beide Kreisläufer fehlen. Wir haben das zwar ganz gut umgesetzt, über den Kreis hat uns aber das ein oder andere Tor gefehlt, um so ein Spiel auch mal zu gewinnen“, bilanziert Kapitän Dietrich. Um 5 Uhr am Freitagmorgen war die Dienstreise beendet, der Eulen-Bus wieder in Ludwigshafen. „Das war schon viel Aufwand, die Jungs brauchen jetzt auch eine Pause“, betont Trainer Ben Matschke. Am Freitag und am Samstag ist trainingsfrei, am Sonntag startet die Vorbereitung auf das Spiel gegen den TVB Stuttgart am nächsten Donnerstag. Der Coach fand viel Lob für die Performance seiner personell dezimierten Truppe. Kritik gab’s ob der frei versiebten Chancen, gerade von den Außen, und der Häufung technischer Fehler, die Tempogegenstoß-Tore zeitigten. Matschke: „Ein engeres Ergebnis war möglich. Wir scheitern aus aussichtsreichen Positionen zu oft an Milosavljev.“

Ein Schritt aus der Krise

Erleichtert zeigte sich Füchse-Trainer Jaron Siewert nach dem Sieg. Der Coach stand nach sieben Niederlagen in den letzten neun Spielen in der Kritik und sagte: „In der ersten Halbzeit merkt man, dass in den letzten Wochen nicht alles funktioniert hat und man vielleicht an der ein oder anderen Stelle gezweifelt hat. Dann bekommen wir noch ein paar unglückliche Tore. In der zweiten Halbzeit kommen die Paraden und wir ins Tempospiel, wir kommen ins Überzahlspiel. Das ist dann genau die Viertelstunde, in der wir nur drei Gegentore bekommen und selbst zehn erzielen.“ Ein Fels in der Berliner Abwehr und dreimal als Torschütze erfolgreich war Marko Kopljar und verspürte eine gewisse Erleichterung: „Wir hatten in der ersten Halbzeit einige Probleme, die wir in der zweiten Hälfte dann abstellen konnten. Wir konnten dann ein paar einfache schnelle Tore erzielen und damit das Spiel für uns entscheiden.“ Angefressen dagegen Füchse-Geschäftsführer Bob Hanning. „Wenn du so spielst, wie wir es in der ersten Hälfte getan haben, gewinnst du keine Handballspiele. Letztendlich haben wir das gemacht, was wir gegen eine solche Mannschaft machen müssen. Ich sehe allerdings keine Besserungen gegenüber den letzten Wochen", sagte der Manager.

Personeller Engpass schwächt

Lisa Heßler wusste, dass der personelle Engpass, das Fehlen beider Kreisläufer und der Ausfall von Spielmacher Dominik Mappes die eigene Mannschaft nach 35, 40 Minuten auf dem Zahnfleisch gehen ließ und die „verdiente Pausenführung“ schmolz. Die Managerin: „Unser Matchplan ist über weite Strecken recht gut aufgegangen. In der zweiten Halbzeit lassen sicherlich die Kräfte nach und wir verwerfen dann zu viel, so dass Berlin das Spiel relativ schnell drehen konnte. Der Sieg geht sicherlich in Ordnung. Nichtsdestotrotz habe ich auch heute wieder viel gesehen, auf dem wir aufbauen können.“ Am Donnerstag (19 Uhr) geht’s mit dem Heimspiel gegen den TVB Stuttgart weiter – darauf hat die Geschäftsführerin schon in der Max-Schmeling-Halle in Berlin den Blick gelenkt: „Wir hoffen, dass wir dann von der personellen Kapazität stärker und breiter aufgestellt sind.“

Der Stolz des Kapitäns

„Ich glaube, das Ergebnis ist ein bisschen zu hoch ausgefallen“, sagte Gunnar Dietrich. „Wir kommen ein bisschen schwer in die zweite Halbzeit, haben einfache, ganz Freie liegen gelassen und haben den ein oder anderen technischen Fehler zu viel gemacht“, begründet der Kapitän, dass die zweite Halbzeit quasi mit 16:8 verloren ging und die Niederlage klarer ausfiel, als das der Spielverlauf hergab. Angesichts der personellen Lage und der individuellen Klasse des Füchse-Kaders aber fand der Routinier viel Lob für die eigenen Kollegen: „Wenn ich die Voraussetzungen sehe und die Berliner Qualität sehe, kann ich nur unheimlich stolz sein auf jeden, der heute dabei war.“

Mit seinen fünf Treffern im „Fuchsbau“ stockte Hendrik Wagner sein Tor-Konto auf: Er hat jetzt 87 Saisontore. „Ärgerlich, dass uns zwei Kreisläufer gefehlt haben“, sagte der Mann mit dem „rechten Hammer“, sah aber vornehmlich vor der Pause gute Aktionen am Kreis, die Improvisation klappte: „Wir haben das gut gelöst und können stolz auf das sein, was wir gemacht haben.“ Dass Berlin, „eine Top-Mannschaft in Deutschland“, das Blatt wendete, erklärt der Eulen-Torjäger auch mit dem engen Personalkostüm seines Teams: „Ich glaube, irgendwann hat die Kraft nachgelassen und irgendwann haben sie auch kapiert, was wir da spielen …“

Auf der ersten Halbzeit aufbauen

„Auffällig, dass die Leute am Ende platt waren. Wir konnten nicht mehr ins Tempo gehen und haben ein paar Tempogegenstoß-Tore bekommen. Schade, dass es am Ende so deutlich wurde. Wir haben gut gekämpft. Auf der ersten Halbzeit können wir aufbauen“, sagte Max Neuhaus, der auf Halbrechts und als Mittelmann Akzente setzte. „Wir haben richtig gut angefangen. Was sich Ben ausgedacht hat, hat in der ersten Halbzeit richtig gut geklappt. Wir konnten Chancen rausspielen und hatten auch bei ein paar Würfen Glück“, beschrieb Neuhaus die Improvisation nach dem Ausfall beider Kreisläufer. Neuhaus kommt zu folgender Fehleranalyse: „In der zweiten Halbzeit haben wir auf einmal aufgehört die Sachen so zu spielen, wie wir uns das eigentlich vorgenommen hatten. Wir haben dann 7:6 probiert, da sind wir einfach nicht gut reingekommen. Dann sind wir mit drei, vier Toren hinten und schaffen es nicht mehr, die Kurve zu kriegen und spielen Sachen, die wir auch so nicht abgesprochen hatten.“