Dramatischer Abstieg nach vier Bundesligajahren

25.06.2021 12:30 // hk

Abstieg nach vier Bundesligajahren: Die Eulen, nach 21 Minuten gar mit sieben Toren in Front, zur Pause mit vier Toren vorne, nach 53 Minuten mit 24:21 in Führung, kassieren drei Minuten vor dem Ende das 24:24 durch Kevin Gulliksen. Der Rechtsaußen (10/2) ist ihr Mann des Abends. Die Eulen verzweifeln in der Schlussphase am famos haltenden Malte Semisch, der auch Hendrik Wagner wiederholt scheitern lässt. In der 58. Minute Semischs zehnte Parade, zwei weitere folgen. Die Eulen, in den letzten sieben Minuten ohne Tor, schaffen es nicht mehr. Sie hätten einen Sieg gebraucht, um am Sonntag gegen Frisch Auf Göppingen ein Abstiegsendspiel zu erzwingen, wenn Minden in Wetzlar spielt. Durch das 24:24 (10:14) hält Minden den Drei-Punkte-Vorsprung vor den Eulen und feiert euphorisch den Klassenverbleib. Nach vier tollen Bundesligajahren verabschieden sich die Eulen in die Zweite Liga.

Eulen zur Pause vorn

Schwarz das Trikot der Eulen beim Schlüsselspiel am Liga-Abgrund. In dem schmucken Auswärtstrikot haben sie speziell in der Rückrunde vielfach für Furore gesorgt. Aber Pascal Bührer, der Mittelmann, und Pascal Durak, der Rechtsaußen, fehlen verletzt. Mut machend: Das Hinspiel haben die Eulen 30:24 gewonnen. GWD startet gut, Lucas Meister und Juri Knorr treffen, Max Neuhaus verwandelt einen Siebenmeter. Dann steht der Eulen-Block, dann hält Martin Tomovski sehr gut, hat sieben Paraden bis zur Pause. Nach dem 4:3 durch „Johnny“ Scholz (8.) bauen Neuhaus vom Punkt, Hendrik Wagner, Falk und wieder Wagner die Gästeführung auf 8:4 aus. Nach Rambos Anschlusstor aber meistert Tomovski einen Gegenstoß von Gulliksen (16.), Jan Remmlinger lässt es gleich zweimal krachen: 10:5 nach 20 Minuten. Falk erhöht – 11:5. GWD-Coach Frank Carstens mobilisiert den siebten Feldspieler – das geht erstmal schief: Azat Valiullin trifft ins verwaiste Tor: 12:5. Die nächste Chance vergibt er – übers leere Tor (22.). Der erste Knackpunkt. GWD nutzt das und eine vertane Klimek-Chance zu einem 3:0-Lauf. Den unterbricht Jannek Klein - 13:8. Der Block lebt. Aber die Gegenstöße der Mindener fruchten. Zudem scheitert Neuhaus zwei Minuten vor der Pause mit einem Siebenmeter an Ex-Nationaltorhüter Carsten Lichtlein, der Malte Semisch nach 21 Minuten ablöst. Rambos 10:13 lässt Dominik Mappes mit der Schlusssirene das 14:10 folgen. Noch 30 Minuten! Semisch wird wieder kommen …

Trommeln für die Rettung

Die zweiten 30 Minuten – ein Nervenspiel in der Arena in Lübbecke. Drei Eulen-Fans aus Freiburg haben irgendwo und irgendwie Karten ergattert. Es sind - erkennbar – wohl zehn Anhänger der Ludwigshafener, die in Minden an Karten gekommen sind. Drei Trommeln werden geschlagen – Fanklub-Chef Peter Ackermann im legendären Matschke-Dress mit der Nummer 17 gibt den Takt vor, Dietmar Mayer, der Busfahrer, gibt sein Bestes bei seinem Debüt an der Trommel. Da springt auch Lisa Heßler ein, die Geschäftsführerin. Seit Corona wütet, ist sie sozusagen Tag und Nacht im Einsatz für ihren Verein, sie tut und gibt alles für die Mannschaft. Sie trommelt normalerweise, um Partner für die Eulen zu gewinnen, die Wirtschaftlichkeit in Monaten ohne Zuschauer zu erarbeiten. Eine Herkulesaufgabe! An diesem Donnerstag trommelt sie mit der Vehemenz, die in der Familie liegt. „Wie ihr‘ Mutter, die Margot …“, lobt Peter Ackermann den Einsatz.

Sympathiepunkte zählen nicht

Die Mindener wittern nach der Pause Morgenluft, weil sie Kapital aus vergebenen Chancen, aus technischen Fehlern der Eulen schlagen. Da hat Gulliksen Lösungen. Die Fans der Grünen sorgen für einen Höllenlärm. Der Eulen-Block aber arbeitet gut. Geführt von Gunnar Dietrich steht die Abwehr. Nationalspieler Juri Knorr macht nur zwei Tore, Christoffer Rambo fünf. Martin Tomovski hat am Ende 16 Paraden. Es sieht lange gut aus, aber GWD spürt, dass die Eulen nervlich am Anschlag sind. 44. Minute – Zeitspiel Klein, das nutzt Gulliksen: 18:20. Wechselfehler Klimek, Zeitstrafe Klimek – Unterzahl. Rambo verkürzt - 19:20. Nach 50 Minuten hellt sich die Stimmung der Gäste wieder auf, als Wagner per Siebenmeter auf 23:20 stellt. Sieben Minuten vor dem Ende macht Wagner das 24:21 – sein 174. Saisontor. Sein letztes an diesem Abend. Die Eulen treffen nicht mehr. Sie sind etwas mutlos, als der Gegner den siebten Feldspieler - das Mittel der Gastgeber schon ab Mitte der ersten Halbzeit - mobilisiert, sie scheuen das Risiko. Dann vergeben Neuhaus und Wagner. Kleins Zeitstrafe beantworten die Eulen mit dem sechsten Feldspieler, Tomovski geht raus, der Angriff geht schief – Malte Semisch, nun „on fire“, setzt den Ball ins leere Tor: 23:24 – noch fünf Minuten. 56. Minute: Semisch lässt Wagner verzweifeln. Drei Minuten vor dem Ende egalisiert Gulliksen mit seinem zehnten Treffer. Wagner, immer wieder Wagner. Und immer wieder steht Semisch dem Erfolg im Weg. Die Eulen suchen verzweifelt Lösungen in einer Partie, die herausragende Schiedsrichterleistungen von Robert Schulze und Tobias Tönnies sieht. Vier Sekunden vor Schluss die Chance für die Eulen, wieder übernimmt Wagner die Verantwortung. Der Block der Mindener aber steht. Die Mauer ist nicht mehr zu überwinden. Schluss. Aus. Vorbei. Minden feiert den Klassenverbleib. Die Eulen sind abgestiegen. Leere, grenzenlose Leere – die Miene von Spielmacher Dominik Mappes und all den anderen spiegelt die grenzenlose Enttäuschung wider. 25 Punkte stehen auf dem Konto. Es hat nicht gereicht. Am Sonntag (15.30 Uhr) verabschieden sich die Eulen in der Friedrich-Ebert-Halle im bedeutungslos gewordenen Spiel gegen Frisch Auf Göppingen aus der Handball-Bundesliga. Die Eulen haben die beste Liga mit ihrer ach so sympathischen Mannschaft bereichert. Aber Sympathiepunkte zählen nicht im realen Leben. Die Eulen-Mannschaft – das ist das Bauwerk von Ben Matschke, dem so besonderen Trainer. Er hat alles investiert, er hat alles getan, um seinem Nachfolger Ceven Klatt eine Erstliga-Mannschaft zu übergeben. Es ist anders gekommen. Am Sonntag gibt Matschke, der Ex-Kapitän, der sieben Jahre für die Eulen spielte, sechs Jahre ihr Trainer war, seinen Abschied. Seine Wegbegleiter sagen schon heute: Danke, Ben!

Statistik
GWD Minden: Semisch (1) (1. – 21., ab 40.), Lichtlein (bei Siebenmetern 2., 9., 50., 21. – 40.) - Rambo (5), Strakeljahn, Knorr (2) - Gulliksen (10/2), Korte (1) - Meister (1) – Thiele, Schluroff (2), Richtzenhain (2)

Eulen Ludwigshafen: Tomovski - Wagner (6/1), Mappes (3), Dietrich - Falk (3), Scholz (1) - Haider (2) – Klimek, Neuhaus (3/2), Valiullin (2), Klein (2), Remmlinger (2)

Spielverlauf: 1:0 (2. Minute), 3:3 (7.), 3:5 (10.), 4:8 (15.), 5:10 (20.), 5:12 (21.), 8:12 (26.), 10:13 (29.), 10:14 (Halbzeit), 11:15 (34.), 12:16 (36.), 14:17 (37.), 15:19 (40.), 17:20 (43.), 19:20 (45.), 20:23 (50.), 21:24 (53.), 24:24 (57.), 24:24 (Ende) - Siebenmeter: 2/2 - 4/3 - Zeitstrafen: 2/4 - Zuschauer: 744 - Schiedsrichter: Schulze/Tönnies (Magdeburg)