Die alten Tugenden sind gefragt und gefordert

18.12.2020 09:00 // hk

Bundesliga-Extraklasse verkörpert die SG Flensburg-Handewitt, die ein Ensemble mit Weltklasse-Individualisten wie Jim Gottfridsson, Lasse Svan oder Magnus Röd auf der Platte weiß. Am Samstag (20.30 Uhr) ist die SG, von Maik Machulla trainiert, zu Gast bei den Eulen Ludwigshafen. Schiedsrichter sind Steven Heine aus Wendeburg und Sascha Standke aus Ronnenberg.

SG kommt als Primus

Nach dem 35:28 (18:14) am Mittwoch gegen Neuling Tusem Essen - dem 43. Liga-Heimsieg in Serie – übernahm die SG mit 19:3-Punkten die Tabellenführung in der Handball-Bundesliga. Göran Sögard und Kapitän Lasse Svan wurden gegen Tusem geschont. Linksaußen Hampus Wanne war mit zehn Treffern bester Torschütze der Flensburger. Glanzlichter setzten die Nordlichter vier Tage vorher beim 31:31 im Top-Spiel in Mannheim gegen die Rhein-Neckar Löwen. Die führten phasenweise wie berauscht mit sieben Toren, lagen zur Pause mit 19:13 vorne. Mit einem Sieben-Tore-Lauf binnen acht Minuten egalisierte die SG mit viel Herz und unglaublicher Moral zum 20:20. In letzter Sekunde glich Ex-Löwe Marius Steinhauser mit Siebenmeter aus: 31:31. Das macht deutlich, was auf die zuletzt schwer geschlagenen Eulen zukommt. Mehr Außenseiter geht nicht!
Schön bleibt die Erinnerung an den 19. Dezember letzten Jahres: Damals gelang Gunnar Dietrich und Kollegen ein sensationeller 25:23-Sieg gegen die SG, den damals amtierenden deutschen Meister. Eine Sensation. Eine Sternstunde der Eulen, die sich nun nach drei deutlichen Niederlagen in Folge schnell aufrappeln müssen. Sky überträgt die Partie in der Friedrich-Ebert-Halle live. Karsten Knäuper sitzt am Eulen-Liveticker via Facebook. Wir informieren eine Stunde vor dem Anwurf mit letzten Infos und aktuell nach Spielende auf unserer Homepage.

Dietrich erwartet eine Reaktion

Die Art und Weise wie am Mittwoch verloren wurde, nervte auch Kapitän Dietrich merklich. „Es wird schwer, gefühlt sind wir in einem Tal“, sagt der 34-Jährige. „Es waren einfache Ballverluste, technische Fehler. Wenn der Ball gleich mehrfach nicht gefangen wird, dann hat das mit Konzentration zu tun“, mahnt der Mann, der der Abwehr Halt geben soll. Auch im Abwehrblock vermisste Dietrich zuletzt die nötige Aggressivität, bemängelt außerdem die vielen Fehlwürfe. „Wir müssen mehr in Richtung Tor gehen! Man muss verlangen können, dass sich jeder aggressiv auspowert. Wir haben keine Zeit, wir müssen uns jetzt extrem verbessern“, bekennt der Kapitän. Und ist der Überzeugung, dass die Eulen am Samstag wieder die Eulen sind und ihr wahres Gesicht zeigen. Der Gast kommt ohne Nationalspieler Franz Semper (23). Der Ex-Leipziger fällt nach einem Kreuzbandriss und Meniskusschaden, in einem Spiel in der Königsklasse erlitten, lange aus. „Ich gönne Maik den Erfolg. Er arbeitet sehr kontinuierlich, hat eine Mannschaft mit sehr hoher individueller Qualität, aber auch mit großer Plantreue“, anerkennt Ben Matschke die Leistung und Arbeit des Kollegen Machulla. Er führte die SG 2018 und 2019 zur deutschen Meisterschaft.

Lisa Heßlers Klartext

Die 19:28 (8:14)-Niederlage beim Bergischen HC sah Lisa Heßler nach dem neuerlichen Fehlstart und dem schnellen 1:6-Rückstand. „Mitte der ersten Halbzeit ist die Abwehr besser reingekommen. Wir verpassen aber ein besseres Halbzeitergebnis durch die Chancen, die wir nicht genutzt haben plus die technischen Fehler, vor allem zu leichte technische Fehler, die wir machen“, analysiert die Geschäftsführerin: „Anfangs der zweiten Halbzeit, vielleicht ein stückweit näher dran zu kommen, vielleicht auf vier, ist uns das nicht gelungen. Dann ist schnell der Faden gerissen, sodass das Ergebnis auch in dieser Höhe leider völlig verdient ist.“ Für die Eulen-Geschäftsführerin ist klar, dass die Mannschaft gegen den Spitzenreiter am Samstag anders auftreten muss: „Ich bin schon der Auffassung, dass wir uns wieder an unsere Tugenden erinnern müssen!“ Lisa Heßlers Worte sind deutlich: „Das wird nicht einfacher am Samstag gegen Flensburg. Aber kämpfen und rennen kann ich definitiv von jedem und das auch in jedem Spiel erwarten. Darum wird es am Samstag und in den kommenden Spielen auch gehen!“

Lehren und lernen

„Was uns momentan fehlt, ist der Impuls, auch von der Bank, die Leichtigkeit“, sagte Ben Matschke bei seiner Kurzanalyse in der Solinger Klingenhalle. „Wenn sie Variablen ändern, muss ich darauf reagieren“, monierte der Coach das oft nicht zielführende taktische Verhalten beim Systemwechsel des Gegners. Matschke: „Die von der Bank gekommen sind, hatten viele schnelle Abschlüsse mit wenig Verantwortung. Wir schlagen uns ja selbst: der Ball kommt nicht aufs Tor, die Anzahl der technischen Fehler, die freien Würfe kamen nicht mit der letzten Überzeugung, viele Würfe gingen übers Tor.“ Speziell gegen den Ex-Friesenheimer David Schmidt „waren wir in der Abwehr zu passiv“, kritisierte der Coach. Sein Blick geht voraus, skizziert den Weg: „Das sind Prozesse für meine Jungen. Das wird jetzt ein Weg. Das tut jetzt auch weh. Die sind jetzt niedergeschlagen. Das ist der Prozess, damit wir auf das Niveau kommen.“ Bundesliga-Niveau … „Meine Motivation ist, der Mannschaft zu helfen“, definiert Ben Matschke seine auch mentale Aufbauarbeit nach der bösen Niederlage von Solingen. „Es gibt Spieler, die schauen allein Video, es gibt andere, die möchten Hilfestellungen“, erklärt der Coach. Die Klasse des Gegners – bekannt. Matschke, der weiter ohne Christian Klimek, Jan Remmlinger und Jannik Hofmann planen muss, gibt einen Fingerzeig: „Es geht um uns!“

Hoffen auf Gorpishin

Acht Minuten spielte Eulen-Neuzugang Sergey Gorpishin in Solingen. Der Kreisläufer ist für zunächst vier Spiele verpflichtet worden, um den verletzten Christian Klimek zu ersetzen. Der Kurzeinsatz war im Vorfeld so abgesprochen, um Gorpishin Fuß fassen zu lassen, erklärt Ben Matschke. „Das wird am Samstag wahrscheinlich schon mehr sein. Und dann hoffen wir, dass Sergey nächste Woche so weit ist, dass er uns punktuell schon helfen kann“, sagt der Coach mit Blick auf Dienstag (18 Uhr), wenn die Eulen beim HC Coburg gastieren. Das heißt: Klassenkampf! Gorpishin, mit 23 schon recht erfahren, soll der Mannschaft vor allem auch in der Abwehr zu alter Stärke verhelfen. „Er hat lange nicht gespielt, da kann man keine Wunderdinge erwarten“, warnt Kapitän Dietrich vor überzogenen Erwartungen an den russischen Nationalspieler. „Wir brauchen Körperlichkeit, die hat er“, sagt Matschke mit Blick auf den Nothelfer. Der ist zwei Meter groß und bringt 106 Kilo auf die Waage. Matschke: „Er hat ein Ziel mit der russischen Nationalmannschaft. Er will zur WM! Er hat eine große Motivation, dass er jetzt auf dem Niveau spielen kann. Das gefällt mir.“