Der Pokal hat seine eigenen Gesetze – lautet eine alt-bekannte Fußballer (Floskel)-Weisheit. Gilt die auch im Handball? Den Beweis würden die Eulen am Mittwoch (19 Uhr) in heimischer Halle in der 2. DHB-Pokalrunde gegen den klassenhöheren Bundesligisten TBV Lemgo Lippe gerne antreten. Schiedsrichter beim Duell Zweite Liga gegen Bundesliga sind Lucas Hellbusch und Darnel Jensen. Die E-Jugend des HLZ Friesenheim-Hochdorf, betreut von Anna Isselhard, läuft mit den beiden Mannschaften ein. Dyn überträgt im Pokal – wie auch alle Spiele der 1. und 2. Handball-Bundesliga – live und auf Abruf. Eulen-Kapitän Max Haider ist (noch) nicht wieder auf der Platte, vertritt als Co-Kommentator Urlauber Thorsten Laubscher an der Seite von Reporter Karsten Knäuper.
Zwei Wochen ohne Mex Raguse
„Ich freue mich auf ein geiles Spiel. Ich habe als Trainer noch nie gegen Lemgo gespielt“, schildert Eulen-Coach Johannes Wohlrab seine Pokalgefühle und beschwört die Außenseiterchance seiner Jungs: „Es ist ein brisantes Spiel. Wir wollen eine Runde weiterkommen. Es gab in der ersten Runde die Sensation, als Rostock Potsdam geschlagen hat. Diesmal würden wir gerne für die Überraschung sorgen. Es ist die gleiche Sportart, aber es ist ein anderer Wettbewerb …“ Klar: Lemgo kommt als Favorit in die Pfalz, hat nach der 26:30-Niederlage am Samstag in Hamburg 4:4 Punkte und steht auf Platz 12 in Liga 1. Die Eulen rangieren in Liga 2 mit 6:4 Punkten auf dem siebten Platz. Es gibt aber auch einen Stimmungsdämpfer im Lager der Eulen: Mex Raguse fällt wegen einer Handverletzung zwei Wochen aus, bedauert Joh Wohlrab das Fehlen seines Mehrwertspielers. In den ersten fünf Ligaspielen warf der Halblinke 33 Tore und verbuchte 21 Assists.
Andrej Kogut 2021 TBV-Kapitän beim Pokalsieg
Florian Kehrmann, Lemgos Trainer-Dauerbrenner, seit 2014 im Amt, führte den TBV am 7. Juni 2021 völlig überraschend zum Pokalsieg. Der Coup gelang bei dem 2020 wegen Corona ausgefallenen Pokal-Nachhol-Turnier. Auf den Weg ins Final Four hatte Lemgo auch die Hürde in der Friedrich-Ebert-Halle genommen, die Eulen ausgeschaltet. Sensationell damals der Halbfinalsieg der „Kehrmänner“ gegen THW Kiel. Das Finale gewann Lemgo 28:24 gegen MT Melsungen. Den Cup nahm Kapitän Andrej Kogut, zweifacher Torschütze im Endspiel, in Empfang. Ein Jahr später beendete Kogut, der Stratege und Abwehrchef, verletzungsbedingt seine Karriere und kehrte nach sieben Jahren in Lemgo zu „seinen“ Eulen zurück, wo er in der dritten Saison als geschätzter Co-Trainer arbeitet. Von 2010 bis 2015 hatte Kogut das Eulen-Trikot getragen. 2014 war er der Regisseur der Aufstiegsmannschaft.
Hohe Wertschätzung für „Flo“ Kehrmann
„Mit Lemgo verbinde ich ganz viele Erinnerungen – sportlich und privat. Es war nicht immer einfach, vor allem wenn ich an 2016/17 denke, als wir fast abgestiegen wären. Es war eine besondere Situation, wenn du weißt, du hast noch vier Spiele und du musst sie gewinnen“, sagt der heute 36 Jahre alte Kogut. Es ging gerade noch einmal gut, mit 23:45 Punkten schaffte der zweimalige deutsche Meister als Bundesliga-13. gerade so den Klassenverbleib. „Es war ein prägendes Jahr“, betont Kogut, der den Gewinn des DHB-Pokals als Krönung seiner Zeit in Lemgo ansehen darf. Hoher Wertschätzung Koguts erfreut sich TBV-Trainer Florian Kehrmann. „Es waren gar nicht mal so die großen Themen, es waren die Kleinigkeiten. Ich habe ihn als einen Trainer kennengelernt, der über den Tellerrand hinausschaut. Da war er groß drin. Florian Kehrmann entwickelt sich immer noch weiter, so wie er sich in meinen sieben Jahren dort weiterentwickelt hat“, attestiert Andrej Kogut dem Coach der Gäste hohe Arbeitsqualität.
„Es ist ein ordentlicher Start“
„Eine Chance hast du immer. Normalerweise verlierst du. Aber wenn jeder bei uns seine Leistung bringt und zwei, drei über sich hinauswachsen und Lemgo ein bisschen nachlässt … Wir haben nichts zu verlieren, das kann nur Lemgo“, philosophiert Kogut. „Ordentlich“ nennt der 36-Jährige, der mit seiner Frau und den beiden Kindern in Ludwigshafen lebt, den 6:4-Punkte-Start in die Zweitliga-Saison 2024/25. „Hätten wir uns klüger, etwas schlauer angestellt, dann wäre noch ein Punkt mehr drin gewesen. Dann wär es ein super Start gewesen. Es gibt trotzdem noch immer Luft nach oben, wir können und dürfen nicht völlig zufrieden sein. Es ist ein ordentlicher Start. Es freut mich, dass wir Fortschritte in der Abwehr gemacht haben und die Zahl der technischen Fehler nach dem ersten Spiel reduziert haben“, urteilt der Co-Trainer, der für Ruhe, Sachlichkeit, klare Analysen und Loyalität steht.
Wiedersehen mit Hendrik Wagner
Lemgo kommt mit „EM-Überflieger“ Constantin Möstl im Tor. Seit Sommer trägt auch der einstige Eulen-Torjäger Hendrik Wagner das Trikot der Ostwestfalen. Nach zwei Jahren bei der HSG Wetzlar suchte der 27-Jährige eine neue Herausforderung und trachtet vor allem auch an mehr Spielzeit im Angriff. Von 2019 bis 2022 spielte Wagner für die Eulen, schaffte den Sprung in die Nationalmannschaft, absolvierte drei Länderspiele. Auf den 2 Meter großen Halblinken muss die Eulen-Abwehr wohl mehr als nur ein Auge haben. Gerade im Rückraum der Gäste sieht Eulen-Coach Wohlrab mit Spielmacher und Kapitän Tim Suton, dem Halblinken Lukas Hutecek sowie Linkshänder Niels Versteijnen hohe Qualität. Bobby Schagen gilt als gewitzter Rechtsaußen. Das 7:6-Spiel ist eine taktische Spezialität der Mannschaft von „Flo“ Kehrmann.
Kian Schwarzer trifft die alte Liebe
Ein besonderes Spiel wird’s für Kian Schwarzer, der die Eulen erneut als Kapitän anführt. „Es ist was Besonderes gegen die alten Freunde zu spielen“, sagt der 25 Jahre alte Linksaußen, der von 2021 bis 2023 in Lemgo unter Vertrag stand. Sein Vater Christian „Blacky“ Schwarzer, ein Weltklasse-Kreisläufer, spielte von 2001 bis 2007 in Lemgo und wurde 2007 zusammen mit Florian Kehrmann Weltmeister. Mit dem Zweitliga-Start der Eulen ist Kian Schwarzer nicht unzufrieden. Er sagt aber auch: „Wir könnten auch 10:0 Punkte haben. Es war bitter, gegen Minden mit einem Tor zu verlieren. Auch gegen Lübbecke war mehr drin. Aber wir sollten demütig sein …“ Mit Zuversicht und Demut sieht Kian Schwarzer dem Pokalstrauß entgegen: „Wir können gegen jeden gewinnen, auch gegen einen Erstligisten wie Lemgo, wenn bei uns jeder sein Bestes gibt, wir mit einer guten Abwehr und einem guten Torhüter spielen!“
Die Wiesel werben für Inklusion
Als Ehrengäste begrüßen Lotto Rheinland-Pfalz und die Eulen diesmal 15 Mitstreiter der Wiesel im VIP-Raum. Die Inklusions-Handballer sind der TSG Wiesloch angeschlossen und nehmen seit Herbst 2018 an einer Spielrunde für Handball-Mannschaften mit Handicaps teil. Die Wiesel definieren ihre Ziele und ihre Philosophie wie folgt: „Wir möchten das Sportangebot für Menschen mit Behinderung in der TSG ausweiten und die anderen Abteilungen dazu gewinnen, Sportangebote für Menschen mit Handicap innerhalb ihrer Abteilungen zu entwickeln. Unser Ziel: Inklusion auf allen Ebenen des Vereins etablieren. Den Gedanken des gemeinschaftlichen Miteinanders für Sportler mit und ohne Handicap. Berührungsängste abbauen und gemeinsame Wege gehen. Wir versprechen uns hiervon Menschen mit Behinderung die Möglichkeit zu geben, ganz selbstverständlich Sport im Verein zu betreiben und nicht nur in speziellen Behindertensportvereinen oder bei der Lebenshilfe. Sport verbindet und lässt alle am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Das ist unser Ziel, dass Menschen mit Handicap zu einem Teil unserer Sport Community hier in der Metropol Rhein-Neckar werden.“
Fotos: Harry Reis / Dennis Weissmantel