Mehr Dramatik geht (fast) nicht: In Lübeck vergab Pascal Durak drei Sekunden vor Schluss einen Siebenmeter und damit die Chance zum Ausgleich für die Eulen. Am Dienstag im Nachholspiel gegen den Dessau-Roßlauer HV 06 kassierten die Eulen elf Sekunden vor dem Ende per Siebenmeter das Ausgleichstor: 31:31 (13:15).
13:15 zur Pause
Den Torreigen eröffnet Jannik Hofmann nach 129 Sekunden. Postwendend gleicht Lennart Gliese aus, Dessau führt nach sieben Minuten 4:1, 9:5 nach 15 Minuten, 12:8 nach 22 Minuten. Als Hofmann auch seinen zweiten Siebenmeter nutzt, sind die Eulen dran: 12:13 (28.). Den ersten Siebenmeter hat Hendrik Wagner in der 4. Minute vergeben. Er scheitert an Julian Malek. Es ist eine von neun Paraden Maleks. Pech: Julius Meyer-Siebert scheitert am Pfosten, quasi im Gegenzug sorgt der herausragende Spielmacher Vincent Sohmann für die Zwei-Tore-Führung der Dessauer (30.). Gunnar Dietrich verkürzt, aber Tim Bielzer stellt auf 15:13. Pause …
Haider und Remmlinger sind zurück
Es ist auch der Abend der Rückkehrer: Max Haider ist nach zehn Spielen Zwangspause durch Krankheiten und Rückenprobleme wieder dabei, 15 mal pausierte Jan Remmlinger nach seinem Innenbandriss. Haider hilft in Abwehr und Angriff, er reißt mit, engagiert sich auch verbal, macht wie Kreisläufer-Kollege Stefan Job zwei Tore. Remmlinger kommt nach der Pause erstmals aufs Parkett, hat zwei Minuten später mit einem Pfostentreffer Pech, beweist dann aber als Abfangjäger Gespür. Klasse sein Wurf zum 25:24 (48.), super sein Zuspiel, das Kreisläufer Job zum 26:25 nutzt (49.). Für die Eulen sieht es zwischenzeitlich allerdings schlecht aus. Als Hofmann in der 33. Minute mit Siebenmeter an Julian Malek scheitert und Max Emanuel im Gegenzug auf 18:14 für den Gast stellt, droht die nächste Heimschlappe. Nach 40 Minuten löst Matej Ašanin im Tor Žiga Urbič ab, der fünf Paraden hat. Dessau, getragen vom starken Rückraum, führt 20:18. Aber die Eulen werfen alles in die Waagschale, der breiter gewordene Kader, die verstärkte Bank, tun gut: 19:21 durch Stefan Salger (41.), eine Minute später trifft Durak die Latte. Anschlusstreffer durch Job, Ausgleich durch Salger in der 44. Minute. Die Halle lebt, die Stimmung ist höllisch gut. Und dann auch mal Glück, als Nicolas Neumann am Pfosten scheitert (45.). Sekunden später meistert Ašanin einen Tempogegenstoß des pfiffigen Lukas Baumgart. Erstmals nach dem 1:0 führen die Eulen nach 46 Minuten: 22:21 durch Salger. Er macht ein starkes Spiel, gefällt auch mit seinen Zuspielen, trifft bei elf Versuchen siebenmal. Klasse wie Salger neun Minuten vor dem Abpfiff einen Abspielfehler Hendrik Wagners ausbügelt. Quasi im nächsten Eulen-Angriff sorgt Hofmann für das 27:26. Stark im Abschluss Marc-Robin Eisel. Die personifizierte Willenskraft trifft zum 28:26 (53.), Wagner zum 29:26 (54.). Drei Tore Vorsprung – die Rettung so nah. Es ist 20.37 Uhr als Jan Remmlinger auf die Strafbank muss. Aber Thomas „Stübi“ Stüber, die Stimme der Eulen, ist „on fire“: „Wir holen das Ding!“ So sieht es auch nach Hofmanns fünftem Treffer aus: 30:27 (56.). Die Führung schmilzt. Hendrik Wagner (vier von zehn) ist in der Schlussphase ohne Fortune im Abschluss. 30:30 – noch 63 Sekunden, als Michel Abt die Auszeit nimmt. Marc-Robin Eisel zeigt, dass er’s kann: 31:30 – sechs Würfe, sechs Tore, da ist auch der eine oder andere technische Fehler zu verzeihen. Noch 52 Sekunden, Dessau bringt den siebten Feldspieler. Elf Sekunden vor Schluss Siebenmeter für die Gäste, den nutzt Sohmann (8/4) zum Ausgleich: 31:31.
Punkt gewonnen – Punkt verloren?
„Wir können uns jetzt gegenseitig zum Punkt gratulieren oder auch nicht“, sagt Dessaus Trainer Uwe Jungandreas: „Unterm Strich geht das Ergebnis in Ordnung.“ Die Dessauer wurden von OB Jutta Steinruck vor dem Anwurf mit herzlichen Worten begrüßt. „Die Freundschaft gibt es schon lange vor der Wende, Sport verbindet“, sagte die OB mit Blick auf die seit 34 Jahren praktizierte Städtepartnerschaft. „Es fühlt sich wie ein verlorener Punkt an“, gesteht Eulen-Trainer Michel Abt nach der verspielten Führung. „Die große Stärke von Dessau ist das kompromisslose Tempospiel über die Außen“, sagt Abt, der die Einstellung und Moral seiner Jungs lobt: „Ich bin seit einer Woche hier bei einer Truppe, die toll trainiert, die eine gute Stimmung hat. Es fehlt das Erfolgserlebnis.“ Die beiden Rückkehrer hebt der Coach hervor: „Haider haut sich voll rein. Remmlinger ist noch nicht fit, stellt sich aber zur Verfügung …“
Abstiegskampf ist Kopfsache
„Jeder Punkt ist wichtig, jeder Punkt tut gut. Es ist ein Tor zu wenig. So geht Abstiegskampf, aber natürlich … es tut weh, weil es sich wie eine Niederlage anfühlt“, sagt Stefan Salger, der nun 153 Saisontore auf dem Konto hat. Sein Blick ist auf Freitag gerichtet: „Man muss kämpfen, man muss beißen. Abstiegskampf tut weh!“ „Alles Kopfsache“, glaubt Max Haider, der schwierige Wochen hinter sich hat: „Ich war krank, kam zurück, dann Corona, ich kam zurück, dann die Rückengeschichte. Es war eine harte Zeit. Das Schlimmste für mich war, dass ich auch mental nicht unterstützen konnte.“ Das kann er nun – und noch viel mehr. „Die Fans waren unfassbar“, schwärmt der Kreisläufer nach dem Nervenspiel und schon mit Blick auf den Freitagskrimi gegen Rostock. Dann soll der Rettungsanker geworfen werden. 1773 Zuschauer waren am Dienstag da. Gast der Eulen war Drittliga-Aufsteiger VTV Mundenheim. Als Dank für die Hilfe während der Pandemie hatten die Eulen auch Mitarbeiter des Klinikums eingeladen. „Als wir plus 3 hatten, da wurde der Arm beim Wurf noch ein bisschen zittriger“, erklärt Haider den ein oder anderen Fehlversuch. Die perfekte Spielvorbereitung des Trainers stellt Haider heraus: „Michel macht das unfassbar gut. Da kann man nur den Hut ziehen.“
Die Lage der Liga
Zwei der drei Absteiger sehen fest: Schlusslicht EHV Aue (23:49 Punkte) und der Tabellenvorletzte TV Emsdetten (23:49 Punkte) steigen in die Dritte Liga ab. Gegen den Abstieg kämpfen die Eulen (30:42 Punkte), die Platz 15 belegen, mit TSV Bayer Dormagen (Platz 16, 29:43 Punkte), TV Großwallstadt (Platz 17, 28:44 Punkte) und TuS Ferndorf auf Rang 18, dem ersten Abstiegsplatz (28:44 Punkte). Die Eulen können sich am Freitag (19.30 Uhr) gegen HC Empor Rostock im letzten Heimspiel retten. Am letzten Spieltag, 11. Juni (18 Uhr), gastieren die Eulen in Emsdetten. Die drei Konkurrenten der Eulen am Liga-Abgrund haben am vorletzten Spieltag hohe Hürden zu nehmen: Der TV Großwallstadt ist zu Gast beim ASV Hamm-Westfalen, der am Freitag den Bundesliga-Aufstieg perfekt machen kann. TSV Bayer Dormagen spielt am Samstag beim Tabellendritten HSG Nordhorn-Lingen, dessen Aufstiegstraum dann schon geplatzt sein könnte. TuS Ferndorf empfängt Meister VfL Gummersbach und spielt am 11. Juni in Dormagen. Gast in Großwallstadt ist dann die SG BBM Bietigheim.