„Die kleine Wundertüte“

08.11.2022 10:00 // hk

Die Tabelle der 2. Handball-Bundesliga verheißt ein Spiel auf Augenhöhe: Am Mittwoch (19 Uhr) gastiert der TV Großwallstadt, mit 10:8 Punkten Tabellenneunter, beim Tabellenzehnten Eulen Ludwigshafen (9:7 Punkte). Das Spiel in der Friedrich-Ebert-Halle leiten Leonard Bona aus Remscheid und Malte Frank aus Radevormwald. SportDeutschland.TV überträgt live ab 18.45 Uhr. Reporter Karsten Knäuper und Co-Kommentator Thorsten Laubscher, eine Eulen-Ikone, sind längst ein perfekt eingespieltes Duo am Mikrophon.

Ein Kader mit Qualität

Der TV Großwallstadt, letzte Saison als Tabellen-17. gerade so über dem Strich, also fast abgestiegen, erlebte im Sommer eine Zäsur. Mit Saavas Saavas (ASV Hamm-Westfalen) und Tom Jansen (VfL Gummersbach) verabschiedeten sich die beiden erfolgreichsten Torschützen in die Bundesliga. „Mit Kammlodt und Wullenweber haben sie zwei richtig gute Handballer dazu bekommen. Von der Klasse haben sie noch einige mehr“, beschreibt Eulen-Coach Michel Abt mit Blick auf den vom HSV Hamburg gekommenen Finn Wullenweber und den gleichfalls 1,96 Meter großen Adrian Kammlodt, der zuvor in Aue unter Vertrag stand, besondere Kaderqualitäten. Beide bereichern den Rückraum, wo der Ex-Ferndorfer Simon Strakeljahn als Mittelmann seinen Platz gefunden hat. „Der ist gut“, lobt Abt auch den von AEK Athen gekommenen Torhüter Petros Boukovinas.

„Vori – der kleine Vulkan“

„Großwallstadt ist eine kleine Wundertüte. Die sind richtig gut gestartet, haben aber auch in den beiden letzten Spielen jeweils 35 Tore bekommen“, sagt Trainer Abt beim Rückblick auf das 30:35 der Großwallstadter in Potsdam und auf die 34:35-Heimniederlage des TVG gegen Hagen. Igor Vori (42) hat zu Saisonbeginn in Großwallstadt Maik Handschke als Trainer abgelöst. Mit 246 Länderspielen ist Vori kroatischer Rekord-Nationalspieler mit einem Riesenschatz an Erfahrung, unter anderem gesammelt bei RK Zagreb, FC Barcelona und Paris St. Germain. Abwehrspezialist Vori hat vier Jahre für den HSV Hamburg gespielt und wurde im März 2022 als Nothelfer für drei Monate von den Füchsen Berlin reaktiviert. In 140 Bundesliga-Einsätzen hat der Kroate 442 Tore geworfen. „Vori, das ist ein kleiner Vulkan. Er bringt in Großwallstadt sehr viel Stimmung rein, ist sehr emotional. Er vertraut auf eine 5:1-Abwehr und schafft es mit seiner Art sicher sehr viel Professionalität in Großwallstadt reinzubringen“, urteilt Michel Abt.

Abgezockte Eulen

Die Eulen haben zuletzt mit 29:23 (17:14) in Dresden gegen den HC Elbflorenz 2006 einen überraschend deutlichen Auswärtssieg gefeiert. „Man ärgert sich, dass es nochmal eng geworden ist. Das lag an der Chancenauswertung“, erklärt der Coach, wie es kam, dass nach der 13:5-Führung zwischenzeitlich nur noch ein knappes 15:13 auf der Anzeigetafel stand. Nach der Vier-Tore-Pausenführung aber passierte nichts mehr – die Eulen gewannen mit sechs. Abt: „Wir haben das dann im Stile einer routinierten Mannschaft abgezockt zu Ende gespielt, hatten zum richtigen Moment auch die wichtigen Paraden.“

„Gut, dass er da ist“

„Hätte uns vorher jemand gesagt, dass wir in Dresden mit sechs Toren Unterschied gewinnen, wir hätten das sicher alle gern unterschrieben“, sagt der nach Christian Klimeks Verletzung nachverpflichtete Sergey Gorpishin. „Gut, dass er da ist. Er verschafft Max Haider Erholungsphasen und hat so auch seinen Anteil an den Siegen“, lobt Michel Abt den Kreisläufer, der Ende 2020 schon mal ein Kurz-Gastspiel in Ludwigshafen gab.

Familie begeistert vom Eulen-Klima

Als sein Vater 2003 als Profi zur TSG Friesenheim kam, wurde Sergey gerade sechs und besuchte die Kita am Ebertpark in Ludwigshafen. „Ich habe noch ein Bild, als mich mein Papa am Kindergarten abgeholt hat“, erzählt Sergey lächelnd. Der Papa – das ist Vyacheslav Gorpishin. Der Zwei-Meter-Mann verkörperte in seiner besten Zeit Weltklasse, spielte 270 mal in der Nationalmannschaft, holte mit der russischen Mannschaft 1992 und 2000 Gold bei Olympia, 1994 olympisches Silber. Mit Russland wurde der Rückraumspieler, der in Deutschland neben der TSG für HC Erlangen, SG Leutershauen, Eintracht Hildesheim und HF Springe spielte, 1999 Vize-Weltmeister. Beim jüngsten Heimspiel der Eulen gegen Hagen waren Sergeys Eltern und seine Freundin, die in Halle an der Saale studiert, in der Friedrich-Ebert-Halle. „Sie waren begeistert von der Atmosphäre, von der Stimmung in der Halle. Mein Vater sagte, es ist super, es ist noch immer so familiär wie damals“, schildert Sergey, dessen Freundin sich im Kreis der Mannschaft und beim Miteinander mit den Frauen und Freundinnen der anderen Spieler nach dem Heimsieg auf Anhieb sehr wohl fühlte. „Hier sieht man, dass man professionell arbeiten kann und es doch auch menschlich harmoniert“, schwärmt Sergey Gorpishin vom prima Klima.

Erfolgreicher Crashkurs

„Ich bin super zufrieden. Ich bin gut in die Mannschaft integriert und habe das Gefühl, dass ich helfen kann. Es läuft gut, nur die Niederlage in Coburg hätte ich uns gerne erspart“, sagt Sergey Gorpishin, der beim Remis in Potsdam debütierte. Nachdem er erst nach der Vorbereitung kam, seit seinem Abschied von ZSKA Moskau im Mai ohne Mannschaftstraining war, räumt der Kreisläufer ein, weiter an der Verbesserung seiner Physis arbeiten zu müssen. „Es war ein bisschen ein Crashkurs, sich von jetzt auf nachher darauf einzustellen, wie spielt Remmlinger an, wie Eisel. Das braucht seine Zeit, es wird aber immer besser“, sagt der zwei Meter große Kreisläufer, der die Nummer 15 quasi vom Papa geerbt hat. „Es geht auch darum, im Spiel besser in die Kommunikation reinzukommen“, sagt der 25-Jährige. Auffällig, dass er im Training inzwischen durchaus auch lautstark im Innenblock zu dirigieren weiß. Jetzt heißt es, die Hausaufgabe gegen den TV Großwallstadt erfolgreich zu lösen. „Wir haben die Mittel, gegen jeden Gegner erfolgreich sein zu können“, sagt Gorpishin, der sich „super gut“ mit Kreisläufer-Kollege Max Haider versteht. „Max hat mich auch am Bahnhof abgeholt, als ich zum Probetraining kam“, streicht der in Erlangen geborene Gorpishin das gute Auskommen mit dem Kapitän heraus.