Das Vier-Punkte-Spiel

21.10.2020 10:00 // hk

Es ist ein spannungsgeladenes Vier-Punkte-Spiel: Die Eulen Ludwigshafen gastieren am Donnerstag (19 Uhr) bei HBW Balingen-Weilstetten. Beide Mannschaften haben nach vier Spielen 0:8-Punkte und stehen auf zwei der vier Abstiegsplätze: Balingen ist 18., die Eulen sind 19.. Bei Punktgleichheit entscheidet der direkte Vergleich, nicht mehr wie bisher die Tordifferenz. Diese Regeländerung missfällt Eulen-Coach Ben Matschke. „Mir wäre es lieber, am Ende würde das gesamte Leistungsbild der kompletten Saison entscheiden und nicht nur zwei einzelne Resultate“, sagt der Trainer und philosophiert: „Die erste Halbzeit findet in Balingen statt, die zweite nächstes Jahr bei uns.“ Und ohne Umschweife: „Das Spiel ist sauwichtig!“

„Wir müssen lauter werden“

22:28-Heimniederlage gegen den SC Magdeburg ist analysiert und aufgearbeitet, sagt Co-Trainer Frank Müller. Die Vielzahl der technischen Fehler - allein elf vor der Pause - war halsbrecherisch. „Normal müssen wir bei Halbzeit 15:13 führen“, sagt Müller beim Blick zurück auf eine vermeidbare Niederlage. Denn auch der favorisierte Gast hatte eine hohe, eine ungewohnt hohe Fehlerquote. Matschke: „Wir müssen lauter werden. Gegen Magdeburg waren wir zu leise, haben zu sehr darauf gewartet, dass was von außen kommt.“ Die Reaktion der Mannschaft in den Tagen danach – gut. Es waren harte Trainingseinheiten mit lehrreichen Videostudien, urteilt Ben Matschke. „Es geht darum, das Profil zu schärfen“, betont der Coach. „Gegen die Löwen zu spielen ist eins, Balingen aber ein ganz anderes Spiel. Balingen hat den Vorteil, dass sie in dieser Saison im Gegensatz zu uns schon so ein Spiel hatten, auch wenn sie es verloren haben“, sagt Matschke in Anspielung auf das 27:33 der Schwaben bei der jungen Mannschaft des Aufsteigers Tusem Essen.

HBW gewarnt

Bedeutung der Partie am Ligaabgrund klassifiziert Wolfgang Strobel, der Geschäftsführer von HBW, ähnlich. Er sagt: „Wenn Sie 100 Experten in Handball-Deutschland befragen, werden 99 sagen, dass fünf Teams – Essen, Coburg, Nordhorn, die Eulen und wir – die vier Absteiger unter sich ausmachen. Von einer sechsten Mannschaft sind diese fünf schon weit weg.“ Nach der 27:33-Schlappe der Balinger beim Aufsteiger Tusem Essen ist der Druck auf die Gastgeber gewachsen. Strobel warnt, das Heimspiel gegen die Eulen als Selbstläufer zu sehen: „Da wird hoffentlich keiner denken, das wird schon irgendwie laufen. Da muss der Fokus zu 100 Prozent da sein. Ausreden lasse ich nicht zu – sie sind die Sprache der Verlierer.“

Zurück im Kinderzimmer

Für Jan Remmlinger, die Allzweckwaffe der Eulen, ist es eine Reise in die Vergangenheit. Balingen ist seine Heimat. Dort hat das alles mit dem Handball begonnen. „Von fünf bis 22 hab‘ ich da gespielt, bis ich zu den Eulen gewechselt bin“, sagt Remmlinger. Bei HBW wurde er Profi und kam im Januar 2017 nach Ludwigshafen. Die Eltern, viele Verwandte - sie alle sind in Balingen daheim. „Meine Eltern können leider nicht zum Spiel kommen. Wenn Zuschauer kommen, dann werden die 500 unter den Dauerkarteninhabern ausgelost“, weiß der 26-Jährige. „An sich ist es ein besonderes Spiel für mich. Aber angesichts der Bedeutung rückt das Persönliche in den Hintergrund. Aber ich freue mich immer, da zu spielen“, sagt der Student der Sportwissenschaften. Was einem als Gast in Balingen abverlangt wird, weiß Remmlinger: „Zuhause entwickeln sie eine große Wucht mit einem Rückraum, der extrem torgefährlich ist. Sie haben zwei gute Torhüter und eine Mannschaft, die kämpferisch viel gibt.“

Der Mann für viele Fälle

Wo liegt die Chance der Eulen? „Wir haben in allen vier Spielen, obwohl wir verloren haben, bis auf die zweite Halbzeit gegen Magdeburg immer eine sehr gute Abwehr gespielt. Unsere beiden Torhüter sind sehr gut in Form. Der Druck liegt ganz klar bei Balingen“, urteilt Remmlinger. Die „große Baustelle“, sprich technische Fehler, gilt’s zu schließen. Jan Remmlinger spielt bisher eine gute Saison: In der Abwehr im Innenblock eine verlässliche Größe, im 5:1 als vorgezogener Abwehrspieler eine gute Vertretung von Jonathan Scholz, den er auch auf Linksaußen wirkungsvoll ersetzt hat. „Es ist in Ordnung, aber ich sehe auch, was ich besser machen muss. Ich sehe in jedem Spiel Dinge, die ich verbessern kann und muss, sei es beim Überzahlspiel oder auch in der Abwehr“, sagt Remmlinger ebenso bescheiden wie selbstkritisch. In den ersten vier Spielen warf er 14 Tore. „Jan hat gerade in der Corona-Pause viel an seiner Athletik und Fitness gearbeitet“, anerkennt Trainer Ben Matschke und sieht den 26-Jährigen in eine Führungsrolle hineinwachsen. „Jan kennt mich seit mehr als drei Jahren. Er weiß was ich will und er weiß, was ich nicht will“, sagt der Coach. Nachdem Remmlinger seine komplizierte und langwierige Handgelenkverletzung auskuriert hat, habe er die Chance, die sich nun bot, genutzt: Dass er kein Spezialist ist, früher eher ein Nachteil, wurde zum Vorteil. Jan Remmlinger, die Nummer 19, ein Mann für viele Fälle.